Regulierung statt freie Netzwerke

Die Süddeutsche Zeitung hat einen Jammerartikel („Daten her oder draußen bleiben“) zum bösen, Daten sammelnden WhatsApp und seinen Verwandten aber vor dem wirklich zielführenden Hinweis an die Leser, sich mal mit dezentralen Netzwerken zu befassen scheut man sich wie der Teufel vor dem Weihwasser, stattdessen lobt man lieber Löschaktionen und freut sich über Regulierung.

Entweder den neuen Nutzungsbedingungen zustimmen oder es ist Schluss mit Chats, Bildchen und Emojis – das sind die Alternativen. Für europäische Nutzer sind die Folgen einer Zustimmung zwar nicht ganz so schlimm. Was der viel geschmähten europäischen Datenschutz-Grundverordnung zu verdanken ist: Sie verbietet es dem Whatsapp-Eigentümer Facebook, in der EU die Daten von Whatspp mit denen seiner anderen Dienste Facebook und Instagram zu vermischen. In anderen Ländern macht Facebook das nun.

Es geht nicht nur um das Teilen der Daten mit anderen Konzernteilen, wovor ohnehin nur Nutzer der EU geschützt sind bzw. sein sollten (Wer glaubt das übrigens ernsthaft bei einem amerikanischen Konzern, der in einem anderen Rechtsraum angesiedelt ist?), sondern auch um das standardmäßige Hochladen der Adressbuchdaten. Sonst soll Europa immer den Vorreiter spielen, warum nicht hier den Nutzern echte Alternativen empfehlen?

Der Autor schafft hier im Kopf der Anwender das ärgerliche Bild, daß es keinerlei Alternativen zu WhatsApp gäbe, im Gegenteil, die gibt es, man sich nur umsehen, denn weder WhatsApp noch Twitter und Verwandte haben etwas, was es nicht auch woanders gäbe.

Dennoch bleibt eines wahr: Die großen Plattformen wie eben Facebook, Whatsapp, Google oder Twitter sammeln gigantische Mengen an Informationen und lassen ihren Nutzern dabei keine Wahl: Daten her oder draußen bleiben, etwas anderes gibt es nicht. Wundern muss einen das nicht. Genau das ist ja ihr Geschäftsmodell. Sie liefern auf der einen Seite sehr gut gemachte Dienste wie beispielsweise Google den Karten- und Navigationsdienst Maps. Für deren Nutzung zahlen die Kunden kein Geld, aber sie zahlen mit ihren Daten.

Der Datensammelei kann man in weiten Teilen Einhalt gebieten wenn man gezielt Alternativen benutzt. Offenbar hat sich der Autor überhaupt nicht mit echten Alternativen beschäftigt, sonst hätte er nicht gerade Google Maps als unersetzbares Beispiel genommen. Gerade Open Street Map (OSM) mit seinem Open Street Map Wiki ist für die Meisten eine echte Alternative zu Google Maps und vollumfänglich auch da nutzbar wo es keinen Internetzugang gibt. Für die Offline-Navigation sind alle Karten regionsweise herunterladbar und Datensammelei gibt es da ohnehin nicht. Wenn man viele Karten gleichzeitig braucht benötigt man entsprechend Speicherplatz im Gerät, aber µSD-Karten kosten heute nicht mehr die Welt. Ab 6,90 € für 128 GB sollten bei Besitzern hunderter Euro teurer Smartphones möglich sein.

Entsprechende Apps gibt es sowohl für iOS im AppleStore, als auch für Android im Google Play Store. Sogar in der Alternative zum Google Play Store, bei F-Droid ist die App für Android verfügbar. Jeweils in einer kostenlosen, aber trotzdem praxistauglichen Version, als auch einer Kostenpflichtigen mit dem kompletten Funktionsumfang.

Zu hoffen, dass die Unternehmen aus eigener Einsicht daran mehr ändern, als sie es hier und da mal in geringem Umfang tun, wenn sie mal wieder unter öffentlichem Druck stehen, ist völlig unrealistisch. Das Beste sind noch ein paar leidlich große Löschaktionen wie die von Facebook, bei der Konten im Zusammenhang mit dem Sturm aufs Kapitol getilgt wurden.

Die Konzerne würden ihre Strategie in dem Moment beginnen anzupassen, wenn Nutzer in relevanten Zahlen abwandern.

Es ist auch mehr als bedenklich, daß er als Vertreter der angeblich so freien und unabhängigen Presse Löschaktionen für vorbildhaft hält. Es ist auch ein Zeichen typisch typisch linker Denkweise nach Regulierung Anderer zu rufen. Selber nichts auf die Reihe bekommen, aber die, die es hinbekommen regulieren wollen. Es hat schon seine Richtigkeit, daß die die Auflagenzahlen der Presseerzeugnisse stetig sinken.

Als gewöhnlicher Nutzer muss man darauf nicht warten. Es lohnt sich, auch mal Alternativen zu probieren. Statt Whatspp kann man etwa Signal, statt Google eine alternative Suchmaschine wie Duckduckgo, Qwant oder Startpage nutzen. Bei Messenger-Diensten wie Whatspp oder sozialen Netzwerken ist es freilich schwer, ganz außen vor zu bleiben. Jeden Freund, Bekannten oder die Mitglieder im Sportverein zum Wechsel zu überreden, ist keine leichte Aufgabe. Bei Jugendlichen kommt noch dazu, dass man ausgegrenzt ist, wenn man bei bestimmten Apps nicht mitmacht.

Mit Alternativen wie Signal oder Telegram ist es nicht getan. Die Datensammelei findet bei diesen Diensten derzeit zwar nicht statt, aber finanziert müssen diese auch werden und es ebenso sind zentral organisierte Dienste. So hat Telegram bereits angekündigt zukünftig Werbung einsetzen zu wollen. Außerdem bleibt der Zwang zu einer Mobilfunknummer bis auf Weiteres bestehen. Signal will weg davon, aber wann das kommt ist völlig unklar.

Warum scheuen sich Autoren derartiger Artikel unisono wenigstens ansatzweise auf die dezentralen, sicheren und datenarmen Netzwerke wie XMPP (vormals Jabber), Mastodon oder *Diaspora für die es inzwischen auch gute Apps (Conversations, Fedilab, Tusky, Dandelion v.v.m. gibt, hinzuweisen? Ist das nur Ignoranz und Unfähigkeit oder folgt das einem tieferen Sinn?

Einen Wechsel einzuleiten ist tatsächlich schwierig, aber jemand muss halt mal anfangen. Eine hilfreiche Strategie könnte sein, daß jeder wenigstens Apps der freien und dezentralen Netze auf seinem Gerät funktionsbereit hält und bei Kontaktaufnahme auch anbietet. Familienverbände haben noch die einfachste Möglichkeit gemeinsam umzusteigen. In Berlin könnte jetzt — meiner Meinung nach als rein zufälliger „Kollateralnutzen“ — auch dsbzgl. etwas in Gang kommen, seit die Lehrer dort dienstlich e-Mailadressen bei einem Provider erhalten bei dem eine Adresse im dezentralen XMPP-Netzwerk für Einzel- und Gruppenchats inkludiert ist. Im Grunde bestünde damit sogar die realistische Möglichkeit Lehrern jegliche Nutzung von WhatsApp und anderen DGSVO nicht-konformen Messangern für dienstliche Zwecke zu untersagen, da es eine konforme und brauchbare Alternative gibt.

Ein Kommentar

  1. […] angesehen werden, also jeden der sich nicht im linken Fahrwasser bewegt. Die Klage ist daher ein weiterer Punkt für die Verwendung von freien, dezentralen Netzen, denn bei diesen ist der App-Hersteller klar von dem Kommunikationsdienstleiter (Chat, Gruppen) […]

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