Genderismus und Marxismus

Als Ergänzung zu einem Vortrag von Ulrich Kutschera im Dezember 2015 in Hamburg, hatte Andreas Müller einen lesenswerten Beitrag veröffentlicht, in dem er u.a. darlegt, daß die dem Genderismus zu Grunde liegenden Behauptungen aus dem Marxismus stammen. In den Kommentaren auf der Facebookseite der Richard Dawkins Foundation für Vernunft und Wissenschaft dazu wird ihm nun vorgeworfen, er hätte in dem Artikel seine Feindbilder (er ist ein Verfechter der Thesen von Ayn Rand) zusammengemischt und mit diesen eine unzulässige Verbindung zum Marxismus hergestellt. Leider vergaßen es die Kommentatoren zu erwähnen, worin eigentlich diese Unzulässigkeit in der Verknüpfung liegen soll. Zu den Kommentaren hat er noch einen zweiten Artikel zum Thema nachgeschoben. Generell ist Kritik am Genderismus unerwünscht und der Kritiker sollte ein recht dickes Fell haben, begibt er sich doch mit seiner Kritik direkt in die Höhle des Löwen, aber warum nun gerade die beschriebene Verbindung zum Marxismus auf so vehemente Ablehnung stößt ist unverständlich.

Der Autor hat recht, der Genderismus ist verwoben mit dem Marxismus und die meist weiblichen Anhänger vertreten stramm linke Thesen. Bei einigen hapert es tatsächlich erheblich mit dem Denken, so daß es glaubwürdig erscheint, daß diese gar nicht merken welchen Unsinn sie da vertreten. Dennoch, viele Protagonisten des Genderismus machen überhaupt kein Hehl aus der Verbindung zum Marxismus, im Gegenteil, sie beziehen sich ausdrücklich auf diesen!

Als stellvertretendes Beispiel dafür, sei hier auf eine Arbeit des in Genderkreisen anerkannten, männlichen Pseudowissenschaftlers Heinz-Jürgen Voß verwiesen [1], in der er die These, daß das biologische Geschlecht nur ein Produkt der Gesellschft sei, direkt aus dem Marxismus herleitet.

Biologisches Geschlecht ist ein Produkt von Gesellschaft!
Eigentlich könnte der Artikel nach dieser Feststellung in der Überschrift bereits wieder enden. Ganz selbstverständlich ist emanzipatorischen spätestens nach den Arbeiten von Karl Marx klar, dass ein Mensch erst in Gesellschaft wird. Menschen werden in Gesellschaft geboren, sie wachsen eingebunden in gesellschaftliche Verhältnisse auf, sie lernen in gesellschaftlichen Traditionen und tragen zu ihrem Bestand bei. Durch dieses Lernen in Gesellschaft werden Wahrnehmungsweisen geprägt und wird Denken und Handeln beschränkt. Am offensichtlichsten wird dies am Beispiel der Sprache: Wir lernen in und mit Sprache – und sie beschränkt damit gleichzeitig unser Denken und unsere Wahrnehmung. Das heißt, dass wir selbstverständlich nur Dinge beschreiben können, für die es Wörter gibt. Anderes bleibt außerhalb des Beschreibbaren – und bleibt vielfach außerhalb des Blickes. Bei Marx klingt das so:
„Also ist der gesellschaftliche Charakter der allgemeine Charakter der ganzen Bewegung; wie die Gesellschaft selbst den Menschen als Menschen produziert, so ist sie durch ihn produziert. Die Tätigkeit und der Geist, wie ihrem Inhalt, sind auch der Existenzweise nach gesellschaftlich, gesellschaftliche Tätigkeit und gesellschaftlicher Geist.“ (Marx 1844: 144)

Die Notwendigkeit praktischen Handelns, die Revolution betonend, führt Marx aus:
„Sie [die Revolution, Anmerkung Voß] zeigt, daß die Geschichte nicht damit endigt, sich ins ‚Selbstbewußtsein‘ als ‚Geist vom Geist‘ aufzulösen, sondern daß in ihr auf jeder Stufe ein materielles Resultat, eine Summe von Produktionskräften, ein historisch geschaffnes Verhältnis zur Natur und der Individuen zueinander sich vorfindet, die jeder Generation von ihrer Vorgängerin überliefert wird, eine Masse von Produktivkräften, Kapitalien und Umständen, die zwar einerseits von der neuen Generation modifiziert wird. Ihr aber auch andrerseits ihre eignen Lebensbedingungen vorschreibt und ihr eine bestimmte Entwicklung, einen speziellen Charakter gibt – daß also die Umstände ebensosehr die Menschen, wie die Menschen die Umstände machen.“ (ebd.: 266)

Marx beschreibt hinlänglich, wie Produkte, Institutionen, Kategorien grundlegend Mächtigen dienen – das wäre ein anderer Fokus, der hier nicht verfolgt werden soll. Für die folgende Argumentation zu „Geschlecht“ ist wichtig: Produkte, Institutionen, Kategorien führen bereits von eigentlichen Bedürfnissen von Menschen weg – und führen letztlich dazu, dass wir als Menschen gar nicht (mehr) in der Lage sind, unsere Bedürfnisse außerhalb von Produkten, Institutionen und Kategorien zu formulieren. Bezogen auf Geschlecht heißt dies, dass wir gar nicht in der Lage sind, unsere Begehrensweisen, unsere vielfältigen Bedürfnisse auf Menschen zu richten, ohne diese Menschen zuvor in ein Korsett „weiblich“ oder „männlich“ zu zwängen.
[…]
Damit haben sich auch Wahrnehmungsweisen eingeschrieben: Wir nehmen „Geschlecht“ – „weiblich“, „männlich“ – als ein erstes, vordergründiges und ein allgemeingültiges Merkmal von Menschen wahr – und schreiben es ihnen schon beim Erstkontakt zu.

„Geschlecht“ ist in der Gesellschaft so prominent einfach da, dass wir gar nicht mehr glauben, ohne es auskommen zu können. Wir wählen unsere Sexualpartner_innen als „weiblich“ oder „männlich“ (möglicherweise auch als „weiblich“ und „männlich“), verorten uns als „homosexuell“, „heterosexuell“, „bisexuell“, bringen Wahrscheinlichkeiten der Fortpflanzung auf uns und andere zur Anwendung – und versuchen diese Wahrnehmungsweisen gegen Angriffe zu schützen. So hat sich um die Kategorien/Institutionen „weiblich“, „männlich“, „homosexuell“, „heterosexuell“, „bisexuell“ ein ganzer Rattenschwanz aus Beschreibungen und Diskriminierungen entwickelt.
[…]
haben sich mittlerweile soziale Räume, Produktpaletten industrieller Güter, Gesetze explizit an diesen Kategorien/Institutionen ausgerichtet. Aus differenzierten Behandlungen dieser Kategorien/Institutionen ist Profit zu ziehen
[…]
So arrangieren sich selbst viele „Frauen“ mit diesem geschlechtlichen System, obgleich ihnen dieses System aufgrund der bloßen geschlechtlichen Einordnung Zugänge zu prestigeträchtigen Bereichen der Gesellschaft versperrt (noch immer sind nur weniger als zehn Prozent der prestigeträchtigsten und gut dotierten Positionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mit „Frauen“ besetzt, mehr als 90 Prozent von „Männern“).

Man beachte im ersten Absatz auch den Verweis die Sprache. Etwas was nicht benannt werden kann, bleibt außerhalb der Wahrnehmung. Der Genderismus vollzieht den Umkehrschluss und verhängt zur Erreichung seiner Ziele Sprechverbote. Entfernt man Begriffe aus der Sprache, verschwinden mit ihm zusammenhängende Begriffe und Gegebenheiten aus der Realität. Verbietet man bspw. die Verwendung des Wortes „Neger“, so verschwindet auch die Diskriminierung. Eine Neuauflage des magischen Denkens unserer Vorfahren, als diese nur „von dem, den man nicht (be)nennen darf“ sprachen, dem Bären. Dieser war deswegen nicht weniger gefährlich und verschwand deshalb auch nicht. Oder auch von Gläubigen, mit ihrem Spruch man solle den Teufel nicht an die Wand malen.

Der Genderismus ist ein einziges selbstwidersprüchliches Paradoxon. Sein konstituierendes Merkmal ist die Negierung biologisch nachgewiesener Geschlechtsunterschiede, aber unter Beibehaltung der Einteilung nach Geschlechtern, je nach tagesaktuellem Bedarf in zwei, Männer und Frauen, oder in die frei erfundenen, von derzeit bis zu 4.000 möglichen Geschlechtern, zwischen denen der Mensch noch dazu nach Belieben frei wählen können soll. Übrigens, Heinz-Jürgen Voß ist Diplombiologe (sic!), hat aber im Bereich Sozialwissenschaften promoviert und derzeit an der Hochschule Merseburg eine Professur für Sexualwissenschaft und sexuelle Bildung inne. Man muss sich also nicht wundern, wenn Eltern Sturm laufen, wenn solche Leute Einfluss auf die sexuelle Bildung von Kindern nehmen.

Auch „biologisches Geschlecht“ ist selbstverständlich in Gesellschaft eingebunden und unterliegt Beschränkungen des Denk- und Sagbaren durch Sprache und andere Traditionen. Die aktuellen Geschlechter-Beschreibungen biologischer Forschung, in denen insbesondere Chromosomen, Gene, Hormone, Keimdrüsen, innere und äußere Genitalien relevant sind, stellen lediglich eine Momentaufnahme dar. Noch im 19. Jahrhundert wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, eine Gewebeprobe an ein Institut zu schicken, um DNA bzw. Gene sequenzieren zu lassen.

Es wundert mich gar sehr, daß es ihn als Biologen wundert, daß im 19. Jahrhundert niemand auf die Idee kam, eine DNS-Sequenzierung vornehmen zu lassen. Allenfalls H. G. Wells hätte es noch knapp im 19. Jahrhundert schaffen können mit seiner Zeitmaschine in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zu reisen, in der DNS-Sequenzierungen überhaupt erst möglich wurden. Man kannte vorher zwar bereits die Bestandteile der DNS, aber die Struktur war bis 1953 (Watson & Crick) unbekannt.

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hätte kein Mensch von „Eizellen“ und „Samenzellen“ gesprochen und geglaubt, dass diese zur Fortpflanzung zueinanderfinden müssten.

Tja und doch ist den Menschen seit Äonen geläufig, daß es zwei Geschlechter gibt, andernfalls wäre er bereits ausgestorben. Einen Vorteil hätte dies gehabt, wir müssten uns heute nicht mit diesem und anderem soziologischen Unsinn rumschlagen.

Und auch aktuell – im 21. Jahrhundert – vollziehen sich bedeutende Veränderungen: Es wird nun beschrieben, dass „Genitalien“ nicht wie bislang angenommen durch wenige Chromosomen, Gene, Hormone bestimmt werden, sondern dass ein komplexes und insbesondere prozesshaftes Zusammenwirken zahlreicher Faktoren aus Zelle, Organismus und Umwelt für ihre stets individuelle Ausbildung notwendig ist. Die Faktoren wirken bei jedem Menschen individuell, verschieden zusammen.

… und das Ergebnis sind zwei Geschlechter, sowie ein Anteil an der Population, bei dem während der Ausbildung der geschlechtlichen Merkmale Störungen aufgetreten sind.

Es wandeln sich also die Merkmale, die in biologischen Betrachtungen als vorgegeben und unabänderlich für „Geschlecht“ stehen. „Geschlecht“, auch „biologisches Geschlecht“ wird damit einmal mehr als gesellschaftliches Produkt augenscheinlich. „Geschlecht“, auch „biologisches Geschlecht“ ist wandelbar und es rückt so auch die Möglichkeit einer Gesellschaft ohne „Geschlecht“ in den Bereich des Denkbaren. Zumindest gibt es keinen, aber auch gar keinen Grund an „Geschlecht“, dieser gesellschaftlichen Kategorie/Institution, mit der historisch so viel Diskriminierung, Benachteiligung, Bevorteilung, Leid verknüpft war, weiterhin festzuhalten!

Vollkommen wandeln tun sich die Betrachtungen eben gerade nicht! Allerdings wird mit dem naturwissenschaftlichen Fortschritt des Erkenntniszugewinns die Ontogenese immer weiter aufgeklärt und es werden hierbei immer feinere Strukturen betrachtet, mit der Folge, daß zunehmend mehr Mechanismen zu Tage gefördert werden, welche die Dualität der Geschlechter beim Menschen belegen.

Literatur

  1. Biologisches Geschlecht ist ein Produkt von Gesellschaft!. Heinz-Jürgen Voß. Soziologiemagazin 2013, 6 (1): 87-93.

3 Kommentare

  1. […] nach Denkschule frei wählbar ist oder dessen Existenz wiederum von vielen Genderisten (vgl. bspw. Quatschwissenschaftler Voss) bestritten wird. Streng gemäß der Gender-Lehrmeinung bräuchte es daher die hier genannten […]

  2. […] um eine solche handelt es sich, nicht um eine Wissenschaft, da sie nicht ergebnisoffen arbeitet, finden sich im Marxismus, so das es ihnen in jeder Hinsicht an fachlichen Grundkenntnissen mangelt, derartige Forschungen […]

  3. […] Stellen, finanziert durch Steuergelder, alimentiert werden wollen bzw. müssen. Eine unsinnige, auf dem Marxismus basierende Ideologie, die nun unter Veruntreuung von Steuergeldern in Unternehmen und alle Bildungseinrichtungen bis […]

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