Die Rückkehr des Messias

Alle Welt berichtet davon, von Nord nach Süd pfeifen es alle Spatzen von den Dächern und daher will auch dieses Blog zeigen, daß es sich am Puls der Zeit befindet, wenn ein Ereignis von historischer Dimension kurz bevor steht. In wenigen Tagen wird das kulturelle Erbe der Menschheit um ein weiteres Glanzlicht bereichert werden, denn einer der bekanntesten, nicht der besten, Plagiatoren der Republik veröffentlicht sein neuestes Werk: „Vorerst gescheitert: Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo“. Die Bedeutung dieses Werkes zeigt allein schon der Umstand, daß diese Auflage nur nummerierte Exemplare umfasst. Schade ist, das der Verlag hier nicht Nägel mit Köpfen gemacht hat und es als nummerierte und limitierte Auflage herausgegeben hat, nur ein „limitiert auf 1 Exemplar“ kann wohl diesem Werk wirklich gerecht werden.

Wer jetzt ganz spontan die Frage stellt „Von wem ist es (diesmal)?“, kann beruhigt werden, Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) hat weder zu Feder noch zu Tastatur gegriffen, sondern seine Durchlaucht hat ganz stilecht — wie in der guten alten Zeit — schreiben lassen. Das Buch stammt vom Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und ist nichts weiter als ein aufbereitetes Interview mit Karl Theodor zu Guttenberg (KTG), der darin immer noch den Vorwurf des Betruges weit von sich weist. Vielleicht ist das so falsch nicht, denn der juristische Begriff des Betruges setzt Vorsatz voraus. Ist aber jemand von der Richtigkeit seines Tuns innerlich — also rein subjektiv — überzeugt, fehlt der Vorsatz und damit die Betrugsabsicht. Genau diese Definition ist auch der Grund dafür, weshalb Astrologen, Homöopathen und all die anderen Scharlatane praktisch nie wegen Betrug belangt werden können. Egal wie blödsinnig ihr tun auch sein mag, der tiefe innere Glaube richtig zu handeln, befreit vom juristischen Vorwurf des Betruges. Nichts desto trotz bleibt bei KTG der Umstand bestehen, daß es im wissenschaftlichen Sinne Betrug war, denn die Arbeit ist ein Konglomerat aus Versatzstücken anderer Autoren. Punkt, aus. Keine weitere Diskussion notwendig. Der Entzug des akademischen Grades geschah somit zu recht und es dürfte KTG schwer fallen jemals wieder auf wissenschaftlichem Gebiete Fuß zu fassen. Er selbst beschreibt sein Verhalten in dem Interview, welches in Auszügen in der Zeit, abgedruckt wurde, folgendermaßen:

Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler. Immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, dass etwas zu meinem Thema passt, habe ich es ausgeschnitten oder kopiert oder auf Datenträgern sofort gespeichert oder direkt übersetzt.
[…]
Eigentlich war das eine Patchworkarbeit, die sich am Ende auf mindestens 80 Datenträger verteilt hat.
[…]
Ich sage es doch. Es ist nur eine Frage, wie man das sagt. Weil es ein Unterschied ist, ob man das absichtlich macht oder ob das Abschreiben das fatale Ergebnis einer chaotischen und ungeordneten Arbeitsweise ist. Das ist für mich ganz wichtig, weil es auch etwas mit der eigenen Ehre zu tun hat.

Glaubt man ihm diese Worte, dann offenbart er die Arbeitsweise eines amateurhaften Sammlers ohne wissenschaftlichen Anspruch. Er war sich nicht im Klaren darüber was genau er tat (unzurechnungsfähig?) und hat den Kern des Begriffs wissenschaftliches Arbeiten offensichtlich nicht verstanden. Er belegt damit also, daß er nicht in der Lage war (ist?) selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten. Eine Diplom- oder Doktorarbeit ist eben weitaus mehr als ein literarisches Werk in der Form eines Remixes. Sprachliche Schönheit ist das geringste aller Kriterien bei einer wissenschaftlichen Arbeit, weshalb akademische Arbeiten meist auch kein wirkliches Lesevergnügen sind. Abgesehen davon, wie kann Herr zu Gutenberg eigentlich annehmen, daß ihm irgendjemand ernsthaft glaubt, er habe ohne jede Absicht Inhalte seitenweise übernommen, wie bei den Ausfertigen des Deutschen Bundestages geschehen?

Quasi zeitgleich und natürlich rein zufällig vermeldet die Staatsanwaltschaft Hof die Einstellung des Verfahrens wegen Verdachts auf Verletzung des Urheberrechts, bei gleichzeitiger Zahlungsauflage in Höhe von 20.000,- € an die Deutsche Kinderkrebshilfe. Nicht das keine Urheberrechtsverletzung vorläge, das nicht, aber nicht alles was abgeschrieben wurde, war im juristischen Sinne urheberrechtsfähig und der Rest zu wenig (geringe Vermögensschäden) um ein weitergehendes öffentliches Interesse zu begründen. Man könnte das Urteil durchaus als, sagen wir mal, staatstragend bezeichnen, aber letztendlich geht die ganze Diskussion um die Verletzung des Urheberrechts am Wesentlichen vorbei. Ein Blender hat sich, seinem Geltungsbedürfnis folgend, ausgiebig mit fremden Federn geschmückt und selbst nachdem es für alle offensichtlich war, daß der Kaiser nackt ist, war (ist?) von Einsicht keine Spur zu erkennen. Dies ist das Problem! Es geht nicht darum, ob Menschen Fehler machen oder nicht, sondern darum, wie mit Fehlern umgegangen wird. Münchhausens Geschichten waren wenigstens noch amüsant, aber was sich der Lügenbaron Karl-Theodor zu Guttenberg geleistet hat, war einfach nur armselig. Überhaupt hat sich die ganze politische Klasse nicht mit Ruhm bekleckert, aber das hat bei denen sowieso wohl niemand erwartet. Jetzt aber auch noch schmollend und vor allen Dingen mit leeren Händen wieder auf der Bühne aufzutauchen ist einfach nur noch peinlich.

Zumindest steht seiner Rückkehr aus dem Exil nichts mehr im Wege, um die im Buchtitel verkündete Drohung wahrzumachen und in Deutschland wieder nach Höherem zu streben. Das ist sein gutes Recht (besonders im CSU regierten Bayern), aber genau dies ist der Punkt warum er keine politische Führungsaufgabe mehr bekommen sollte, gerade eben weil er sie anstrebt. In Führungspositionen, nicht nur im Politikbetrieb, geht es um verantwortungsvolles Handeln, nicht aber um Selbstverwirklichung eines Egomanen. Von Letzteren laufen dort bereits mehr als genug herum, die mangels Sachkenntnis und ~bezogenheit einen enormen Schaden in der Welt um sie herum anrichten. In diesem Sinne möge sich Karl-Theodor zu Guttenberg weiterhin als, wie er es falschverstandener Weise — er hat wohl Aristoteles, von dem der Begriff stammt nicht wirklich gelesen — nennt, „Zoon politikon“ sehen, was aber nicht bedeutet, daß er auch für die Rolle als Alphatier geeignet wäre, denn ungeeignet ist sowohl derjenige der zielgerichtet lügt, als auch derjenige der nicht weiß was er tut.

Ein ganz anderer Aspekt bleibt bei der Sache bisher vollkommen unberührt: Ist KTG tatsächlich der eigentliche Schreiber der Dissertation? Er selbst sagt ja, logisch, dies ist ist seine, ihm eigene Strategie: so lange wie möglich, nichts zugeben. Aber warum sollte man ihm dies überhaupt glauben? Könnte die Erstellung der Dissertation nicht doch anders abgelaufen sein, als von zu Guttenberg behauptet? Nehmen wir mal an, zu Guttenberg hat im Laufe der Zeit tatsächlich Material für seine Dissertation gesammelt. Zu einem Zeitpunkt kam er dann zu der Überzeugung, daß er genügend Material zusammen hat, vielleicht hat er auch schon ein grobes Konzept gehabt, und hat sich dann einen Dritten gesucht, der — gegen Entgelt — aus den Textfragmenten und dem Konzept ein Gesamtwerk erstellt hat. Diesem Dritten sind die kopierten Stellen nicht aufgefallen, weil er die Guttenbergschen Puzzlestücke einfach mehr oder weniger übernommen und in den Text eingebaut hat, so wie man einem Sekretariat inhaltliche Vorgaben macht und einen korrekt ausformulierten Brief unterschriftsreif zurückbekommt. In der Regel behauptet übrigens auch jede Führungskraft ein Schreiben sein von ihr, obwohl es aus dem Schreibbüro kommt. Diese Einstellung würde erklären, warum zu Guttenberg steif und fest behauptet er hätte sie geschrieben, er kennt es nicht anders. Auch würde dieser Ablauf die merkwürdige Unvertrautheit mit seiner eigenen Arbeit kurz nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe erklären. Darüberhinaus läßt sein ganzes Auftreten, es nur als schwer glaubhaft erscheinen, daß er sich tatsächlich tage- oder wochenlang an den Schreibtisch setzt, „Akten frisst“ und schreibt. Seine Persönlichkeit scheint mehr die eines Animateurs zu sein, der mit dem Publikum direkt, ad hoc interagiert und dieses auch zu vereinnahmen weiß. Klingt dieses Szenario nicht plausibler als die Guttenbergsche Variante?

Es wäre also vielleicht lohnenswert die Spur aufzunehmen und in einschlägigen Kreisen nachzuforschen. Könnte es nicht sein, daß es in Berlin Personen gibt, die sachdienliche Hinweise geben könnten?

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