Todesstrafe wegen drei Tweets?

Mohammedtweets von Hamza Kashgari

Mohammedtweets von Hamza Kashgari

Alles Lob gehört Allah, dem Herrn der Welten, dem Allerbarmer, dem Barmherzigen, dem Herrscher am Tag des Gerichts.

Man kann sich getrost in allen Fragen des Lebens und des Todes an ihn und seinen Propheten wenden. Allerdings sollte man dies besser nur im Stillen tun und nicht etwa über Twitter (@Hmzmz), denn spätestens dann, wenn seine irdischen Vollstrecker zu Tränen gerührt sind, kommt der Tag des Gerichts schneller als einem lieb sein kann.

Diese Erfahrung mußte nun auch der 23-jährige, saudische Journalist Hamza Kashgari (حمزة كشغري) machen, als er einen Tag vor des Propheten Mohammed Geburtstag über drei Tweets einen Gedankenaustausch mit ihm pflegte.

,فی یوم مولدك سأقول أنني أحببت الثائر فیك
لطالما کان ملهماً لي, و أنني لم أحب هالات
…القداسة, لن أصلی علیك

An Deinem Geburtstag werde ich sagen, daß ich den Revolutionär in Dir liebte, der mich immer inspirierte, aber ich mag keine Heiligenscheine. Ich werde nicht für Dich beten.

,فی یوم مولدك أجدك في وجهي أینما اتجهت
سأقول أننی أحببت أشیاءً فیك, و کرهت أشیاء
!و لم أفهم الکثیر من الأشیاء الاخری..

An Deinem Geburtstag werde ich Dich sehen, wo immer ich mich hinwende. Ich werde sagen, daß ich Dinge an Dir mochte, Dinge (an Dir) hasste und Einige nicht verstand.

,في یوم مولدك, لن أنحنی لك, لن أقبل یدیك
سأصافحك مصافحة الند للند, و ابتسم لك کما
…تتبسم لي, و أتحدث معك کصدیق فحسب
لیس أکثر

An Deinem Geburtstag werde ich mich nicht vor Dir verbeugen, nicht Deine Hand küssen. Ich werde sie schütteln wie unter Gleichen und ich werde zu Dir lächeln, so wie Du zu mich anlächelst. Und ich werde zu Dir nur als Freund sprechen … Das wär’s.

Bemerkenswert an diesen Aussagen ist zunächst, daß der Autor, selbst nach der strengen wahabitischen Auffassung, im Kern gar nicht mal so falsch liegt, denn Mohammed gilt als Mensch, ein Prophet zwar, aber — anders als Jesus im Christentum — ein Mensch ohne jegliche göttlichen Attribute. Ebenso wird Heiligenverehrung abgelehnt (es gibt nur den einen Gott) und selbst die Geburtstagsfeiern für Mohammed werden als unislamisch angesehen, auch wenn es beides gibt. Im Grunde hat Kashgari weder Allah gelästert oder geleugnet, noch hat er dem Glauben abgeschworen, mithin sind Vorwürfe wegen Blasphemie und Apostasie eigentlich haltlos. Er hat sich nur gegen die Vergöttlichung Mohammeds gewand, was eigentlich zur Lehrmeinung zählt.

Dessen ungeachtet, der Mob ist von der Leine, Kashgari flieht nach Malaysia und wird dort bei Ankunft gleich auf dem Flughafen auf Grund eines Haftbefehls verhaftet. Der saudische Chefkleriker Sheik Nasser Al-Omar (der Kardinal Joachim Meisner von Saudi Arabien) fordert weinend die Bestrafung von Hamza Kashgari wegen Apostasie.

Am vergangenen Sonntag hat nun Malaysia Kashgari nach Saudi Arabien ausgeliefert, obwohl ihm dort die Todesstrafe droht.

Unabhängig davon ob mehr an der Sache dran ist und Apostasie nur als Vorwand¹ dient (bspw. für seine, für saudische Verhältnisse, liberalen Anichten²), sollte uns dieser Vorfall zu denken geben. Allein schon die Tatsache, daß Apostasie, also der Abfall vom Glauben, überhaupt ein justiziables Vergehen ist und dann auch noch mit dem Tode bestraft werden kann widerspricht allen Werten einer pluralistischen und säkularen Republik. Dennoch ist Saudi Arabien nicht nur ein entfernter Geschäftspartner, sondern unser Verbündeter, ein Verbündeter bei dem Menschenrechte nicht zählen, dessen Polizei wir ausbilden und der von uns Kampfpanzer erhält. Wer solche Verbündete hat, braucht eigentlich keine Verfassung mehr.

Mehr zum Thema:

Nachtrag 15.02.2012:

Nachtrag 27.02.2012:


1In einem Interview sieht er sich als Sündenbock, in einer größeren Sache.

2Ein anderer Tweet: „Keine saudische Frau kommt in die Hölle, denn es ist umöglich dort zweimal hinzugehen.“

10 Kommentare

  1. […] bereits hier vor zwei Tagen (Todesstrafe wegen drei Tweets?) und an anderer Stelle ausführlich berichtet wurde, droht dem saudischen Journalisten Hamza […]

  2. […] Hamza Kashgari von Malaysia an Saudi Arabien ausgeliefert wurde und dort womöglich wegen dreier Tweets die Hinrichtung zu erwarten hat. Selbstverständlich unternehmen Sie alles in Ihrer Macht stehende, […]

  3. […] Hamza Kashgari“. Hamza Kashgari ist ein junger saudischer Journalist der vor einigen Tagen wegen dreier Tweets in denen er ein fiktives Gespräch mit Mohammed führte, von Malaysia an Saudi Arabien ausgeliefert […]

  4. […] Todesstrafe wegen drei Tweets? & Hamza Kashgari (Feuerwächter) […]

  5. S. Samandarova sagt:

    Wie könnte ich Hamza Kashgari helfen?

  6. Ben sagt:

    Diese Kameltreiber leben für sich immer noch in einer Zeit, die ohne Weiteres mit der unsrigen im Spätmittelalter verglichen werden kann. Jedenfalls haben sie die Aufklärungsepoche noch vor sich und wir Europäier sind ihnen in diesen Punkt Jahrhunderte voraus.

  7. Nur sich das diese „Kameltreiber“ mit unseren Sturmgewehren, Panzerfäusten und Panzern durch die Wüste fahren. Abgesehen davon, die Aufklärung mag bei uns Jahrhunderte zurückliegen, aber unsere eigene Barbarei ist dennoch noch nicht so lange her. Wenn manch einer könnte wie er wollte gäbe es bei uns sehr schnell wieder Todesurteile.

    Auch sollte man die Aufklärung bei uns nicht als beendet betrachten, sondern als andauerndes Projekt. Gegenwärtig haben wir ein Klima, welches antiaufklärerisch wirkt, denn Bildung wird sträflich vernachlässigt. Dazu gehört auch, aber nicht nur, die Wahl einer katholischen Theologin als Wissenschaftsministerin. Annette Schavan, die personifizierte Gegenaufklärung, ist nicht nur wegen ihrer plagiierten Doktorarbeit — die ist nur das i-Tüpfelchen — eine Katastrophe im Amte einer „aufgeklärten“ Nation. Nicht umsonst gedeiht eine ausgeprägte Subkultur an Astrologie, Esoterik, Homöopathie, Naturheilkunde etc. pp. in diesem Lande.

  8. Ben sagt:

    Ja, das stimmt. Die Aufklärung ist ein immerwährender Prozess der Erkenntnisgewinnung und gehört einerseits zur geistigen Evolution und trägt andererseits auch zum Fortschritt der Zivilisation bei. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass hinter Waffenexporten auch viele Arbeitsplätze und soziale Existenzen stehen. Es geht also keineswegs nur um Profitgier oder plumpe Geschäftemacherei, wie manche immer vorzuwerfen meinen, sondern auch um Außenhandel, Globalisierung und diplomatische Beziehungen. Geben wir beispielsweise den Saudis deutsche Technologie in die Hand, so verfestigen sich dadurch mittelbar auch unsere Beziehungen zu diesem Land. Gleichwohl wissen wir auch, dass Saudi-Arabien keine freiheitlich-demokratische Republik, sondern ein autokratisch regiertes Königreich, eine absolute Monarchie unter einer Herrscherfamilie ist. Es ist nicht vorherzusehen, ob überhaupt und gegen wen diese Waffensystem eingesetzt werden, und es bleibt letztlich Spekulation.

    Ich erkenne aber nicht, dass Stammtischargumentation – um mal beim Thema der Wiedereinführung der Todesstrafe zu bleiben – mehrheitsfähig wäre und wieder in der Politik Enzug halten könnte; dazu sehe ich die deutsche Demokratie als inzwischen ausreichend stabil und etabliert. Denn zum Glück gibt es ja diesbezüglich keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern immer noch Vertreter gewichtiger Gegenargumente, die sich durchzusetzen wissen und überzeugen.

    Wie in Deutschland die bildungsfernen Schichten im Allgemeinen weiter einzubinden und – vor allem – zu födern sind, ist ein anderes Thema. Ich glaube, an Mitteln der Aufklärung mangelt es weniger als vielmehr dem Wollen, sich weiterzuentwickeln und zu bilden. Viele Menschen spüren einfach kein Verlangen, sich über das im Leben notwendige Maß des alltäglichen Gebrauchs hinaus fortzubilden.

    • Waffenhandel.
      Natürlich hängen Existenzen am Waffenhandel, aber das ist nicht die vordringliche Frage. Die lautet, bzw. sollte lauten, ob der Waffenhandel ethisch vertretbar. Hier handeln ja nicht einfach nur Privatunternehmen, sondern der Staat befürwortet ausdrücklich diese Exporte. Zunächst kann man wohl bei Saudi-Arabien davon ausgehen, daß die Waffen gegen die eigenen Leute eingesetzt werden, aber sollten wir dies wirklich unterstützen, wenn auch indirekt? Ich persönlich meine Nein. Ich halte es übrigens auch für mehr als zweifelhaft, daß Fr. Merkel mit dem höchsten saudischen Orden für Ausländer ausgezeichnet worden ist, einem Land mit einem archaischen Herrschersystem in dem Frauen noch nicht mal Auto fahren dürfen (von anderen Dingen ganz zu schweigen). Wenn wir die freiheitlichen Werte wollen, müssen wir sie auch unter Inkaufnahme eigener Nachteile vertreten.
    • Todesstrafe.
      Mehrheitsfähig ist es momentan sicherlich nicht, aber reines Stammtischgerede ist es auch wieder nicht. Man denke an die Folterdiskussion vor einigen Jahren, da waren gewählte Abgeordnete die dies befürwortet haben. Die hessische Verfassung beinhaltet noch die Todesstrafe. Bundesrecht bricht Landesrecht, aber wenn die Ablehnung so allgemein wäre, dann würde es die Abgeordneten über Parteigrenzen hinweg einige Sekunden kosten um für die Abschaffung zu stimmen. Auch die Regelungen auf europäischer Ebene geben zu denken, dass auf aufständische Demonstranten geschossen werden darf. Worauf ich hinaus will, ist Folgendes, wir sollten uns unser nicht zu sicher sein, auch unser Abstand von der Barbarei ist nur hauchdünn.
    • Bildungssystem.
      Unser Bildungssystem wird seit Jahren kaputtgespart und mutwillig zerstört (siehe Einführung von Bachelor und Master, Aufrechterhaltung des dreigliedrigen Schulsystems). Da steckt System hinter, denn Bildung ist der Feind der Parteimacht. Das es Menschen gibt, die kein Verlangen nach Fortbildung haben ist auch richtig, aber die Anzahl der Menschen, die in prekären Arbeitsstellen ausgebeutet werden nimmt zu, und die haben dann nach der Arbeit auch keine Energie mehr zum Lernen, außerdem ist die Familie auch noch da.
  9. […] von Selbstmord sind, muss jedem der dort lebt bewusst sein und dies nicht erst seit den Fällen Hamza Kashgari und Raif Badawai. Auch darf man wohl annehmen, daß die Strafen mit jedem zunehmend Fall härter […]

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