Tag Archiv für Meinungsfreiheit

Böhmermanns Dichtkunst

Es ist immer wieder erstaunlich, wie vordergründige Lappalien für Tage Politik und Presselandschaft einer Industrienation beschäftigen können, als ob es keinerlei andere Probleme gäbe. Ich spreche von der Aufregung um das Erdoğan-Gedicht von Jan Böhmermann.

Vorneweg, ich sehe die Sendung „Neo Magazin Royale“ nicht und habe auch erst nach der Aufregung um das Gedicht mir diese eine Sendung runtergeladen und komplett angesehen. Aus der Mediatehk und von YouTube ist sie ja recht schnell verschwunden, aber auf Vimeo (45 min, 450 MB) noch erhältlich.

Das Gedicht ist starker Tobak und es ist nachvollziehbar, warum der Angesprochene tobt wie Rumpelstilzchen, aber überschreitet es auch die Grenze des Erlaubten in der Meinungsfreiheit? Weiterlesen

Hausdurchsuchung wegen Hasskommentar

Es scheint inzwischen zum Standard zu werden, bei Anzeigen wegen absetzen von „Hasskommentaren“ eine Hausdurchsuchung bei den Beschuldigten durchzuführen. Weiterlesen

10 Jahre Haft, 2.000 Peitschenhiebe und 4.900 € Geldstrafe

Mal wieder so eine unschöne Meldung aus Saudi-Arabien:

Ein Gericht in Saudi-Arabien hat einen Mann wegen atheistischer Twitter-Nachrichten zu zehn Jahren Haft, 2000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von umgerechnet 4900 Euro verurteilt. Der Mann habe in mehr als 600 Tweets die Existenz Gottes geleugnet, Koranverse lächerlich gemacht, sämtliche Propheten als Lügner bezeichnet und erklärt, ihre Lehren säten Feindseligkeiten, berichtete die Internetzeitung „Al-Watan“.

Mal vorausgesetzt, daß stimmt so, was Al-Watan da gemeldet hat, frage ich mich immer was solche Leute antreibt. Weiterlesen

Zensur durch die Hintertür

Allmählich wird mehr zu den Mechanismen der Inhalteperren von Facebook bekannt und die sind umfangreicher als nur das Sperren von „Hasskommentaren“ auf Druck der Bundesregierung. Bei Facebook scheint es klare Richtlinien für politische Zensur zu geben. Was durchaus nachvollziehbar ist, denn Facebook ist ein Wirtschaftsunternehmen und verdient sein Geld durch Werbung. Aus ökonomischer Sicht gibt es daher für Facebook und andere Unternehmen der Branche nur zwei Handlunsgoptionen: Geschäftsaufgabe durch Rückzug aus dem Markt oder Kooperation mit Regierungen. Weiterlesen

Zensur auf Zuruf

Die Angelegenheit um die Sperre sogenannter Hass-Postings auf Facebook wird immer dubioser und nimmt zunehmend totalitäre Züge an.

Zunächst ging Justizminister Heiko Mass (SPD) entgegen seiner Aufgabe und des vorgesehenen Wirkungsbereichs eines Justizministers (Stichwort Gewaltenteilung) direkt Facebook an, mit der Aufforderung bestimmte ihm nicht genehme Postings zu sperren. Offensichtlich sah man im Ministerium und anderswo in der Politik keine allzu große Chance diese Postings über den Rechtsweg sperren lassen zu können, so daß man über politischen Druck Facebook dazu bringen wollte selbst als Zensor tätig zu werden. Es wurde nicht mal ansatzweise versucht den Schein zu wahren, in dem ein „lex facebooksiensis“ vorgeschlagen wurde. Weiterlesen

Wer Inhalte transportiert, verantwortet sie

Günther Oettinger hat auf der Konferenz „Initiative Urheberrecht“ den beachtenswerten Satz geprägt (heise):

Wer digitale Inhalte transportiert, verantwortet sie auch.

Auf diese kurze Formel lassen sich auch die Urteile des BGH bringen, in denen er den Telekommunikationsunternehmen bis dato unspezifizierte Prüfungspflichten der transportierten Inhalte auferlegt um ggf. durch ebenfalls bisher unspezifizierte technische Maßnahmen den Zugriff auf Inhalte zu unterbinden. Weiterlesen

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Radikalisierungsprävention

Das Europäische Parlament (EP) hat nach dem Entwurf (A8-0316/2015) nun die Entschließung „Prävention der Radikalisierung und Anwerbung europäischer Bürger durch terroristische Organisationen (P8_TA-PROV(2015)0410)“ veröffentlicht, in der u.a. zahlreiche Forderungen nach Meldestellen für Internetinhalte bei den Mitgliedsstaaten und Europol, Löschung von Inhalten etc. gefordert wird. Unbeachtet der Tatsache, daß eine Entschließung eine reine Meinungsäußerung des EP und keinen verbindlichen Rechtsakt darstellt, wird damit klar, daß nicht allein Günther Oettinger die kürzlich verübten Terroranschläge für seine Zwecke der Forderung nach Zensur und Hintertüren bei Verschlüsselung nutzt. Weiterlesen

Einmaleins der politischen Korrektheit

Ai Weiwei: Meinungsfreiheit ist, wenn Du tust was ich will

Für ein Kunstprojekt hat der chinesische Künstler Ai Weiwei (@aiww, Instagramm) eine Großpackung Legosteine bestellt, aber Lego hat die Lieferung mit der Begründung nicht zu politischen Aktionen liefern zu wollen, abgelehnt (aiww auf Instagram, FAZ, Spiegel).

In September Lego refused Ai Weiwei Studio’s request for a bulk order of Legos to create artwork to be shown at the National Gallery of Victoria as „they cannot approve the use of Legos for political works.“ On Oct 21, a British firm formally announced that it will open a new Legoland in Shanghai as one of the many deals of the U.K.-China „Golden Era.“

Wir verzichten weltweit darauf, die Nutzung von Legosteinen für politische Projekte aktiv zu befördern oder zu unterstützen. Das Prinzip ist nicht neu.

Umgehend kommt natürlich der unsinnige Vorwurf der Zensur (Zensur ist eine staatliche Maßnahme, das sollte Weiwei bestens wissen): Weiterlesen

Der hpd und die Meinungsvielfalt

„Marsch für das Leben“

Am vergangenen Samstag fand in Berlin mal wieder der „Marsch für das Leben“ der selbsternannten Lebensschützer statt. Wie üblich wurde er, immerhin eine angemeldete Demonstration, von linksradikalen Gegendemonstranten begleitet und blockiert.

Dazu veröffentlichte nun Florian Chefai beim hpd einen Kommentar unter dem Titel „Marsch für das Leben — Kein guter Tag für christliche Fundamentalisten“. Eine Passage daraus lässt aufhorchen:

Ein Teil startete Blockadeversuche, um den „Marsch für das Leben“ zum Stillstand zu bringen. Zeitweise konnten die Versuche von Einsatzkräften verhindert werden. Doch letztlich waren ausreichend Personen auf der Straße „Unter den Linden“, um den reaktionären Marsch dauerhaft zu blockieren. Viele Passanten stellten sich spontan hinter die Blockade, um ihre Solidarität zu bekunden.

Von einem Studenten der Soziologie erwartet man es schon nicht mehr anders, aber dennoch sollte der Autor dringend seine Einstellung zum Rechtsstaat im Allgemeinen und den Grundrechten, insbesondere von Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) und Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit), überprüfen. Weiterlesen